...aufgrund der massiven Nachfrage nach der Wiederaufnahme meiner Tätigkeit als Blogger (hey,
er hier fordert es) gibt es jetzt was. Und zwar möchte ich keinem vorenthalten das ich, ja ich, mich in einem Anflug jugendlichen Übermuts mal dazu berufen fühlte ein Buch zu schreiben. Die doch leicht pupertären Anfänge des Projekts...bitte schön. Grob geschätzt, 1999. Sollte die Resonanz wieder erwarten positiv sein, kommt vielleicht auch der Rest. Hier, nicht korrigiert, nicht überarbeitet, direkt aus der Seele des 19-jährigen Cowboys aus Shiloh:
Ich wusste exakt was mich erwartete. Eins von diesen familiären Treffen bei denen man sich nie sicher ist ob man nicht doch lieber woanders wäre. Und das in meinem Zustand, soll heißen, die letzte Nacht steckte mir noch in jedem Knochen, besonders innerhab der Schädelknochen. Zu bemerken wäre noch, das es sich in diesem Fall um eine Hochzeit handelte, aber dazu später.
Wir waren angekommen und ich hatte aus lauter Abneigung gegen die sich im Wohnzimmer befindliche Feiergesellschaft den direkten Weg in die Küche gewählt um dort das bis dahin noch nicht geöffnete "Kalte Buffet" zu inspizieren. Mit einer auch auf mich überraschend wirkenden Selbstverständlichkeit begann ich systematisch die, man sagt wohl `liebevoll`, angerichteten Speisen anzufassen, zu vermengen und Unordnung in das System von Hackbällchen, Geflügelschenkeln und anderer bekannter, im kalten Zustand noch mehr als im warmen, ekelerregender Speisen zu bringen. Sicher es gab Tage da aß auch ich derlei Dinge, aber heute, an diesem Ort, der vor Spießigkeit nur so strotzte, an dem alles, die Gespräche, die Möbel und sogar das 3 Monate alte Kind und eben auch und gerade das Essen, irgendwie abstoßend kleinbürgerlich auf mich wirkte, da konnte ich es nicht.
Als ich das nächste mal in die Küche kam, ich hatte es gewagt die sprichwörtliche Höhle des Löwen, in diesem Fall das rustikal eingerichtete Wohnzimmer zu betreten, wurde ich Zeuge des folgenden Gespräches, aus nächster Nähe und, und das halte ich für bemerkenswert, ohne durch meine innerlich vorherrschende Verzweiflung nach aussen hin negativ aufzufallen.
Die junge Braut, ungefähr mein alter, und ich hatte gerade Abitur, die also wirklich junge Braut stand am Waschbecken und trocknete Sektgläser, weil sie zu wenig davon hatten um sie mal eine Weile dreckig stehen zu lassen, was natürlich vollkommen in Ordnung geht, schliesslich ist es ein junges Paar und die haben wohl andere Sorgen als Sektgläser.
Sie stand also da und ich überlegte gerade ob ich mir vielleicht eines der im Gegensatz zu den Sektgläsern in ausreichendem Maße vorhandenen Trockentücher schnappen sollte, ist schnappen das richtige Wort? Ist es. Den ich dachte nicht darüber nach es mir einfach so zu nehmen, langsam, auffällig wiederwillig, so das sie zwangsläufig sagen musste: "Lass nur, ich schaff das schon, geh in`s Wohnzimmer und amüsier dich!" Amüsieren...? Ich dachte also nicht meinem Gefühl entsprechend, nein, ich dachte darüber nach es zu schnappen, mit Elan und hilfsbereiter Selbstverständlichkeit. Komisch, denn mir war alles andere als nach helfen. Und besonders nicht ihr und nicht in dem Moment und nicht in dieser Küche.
Während sie also abtrocknete und ich unbeteiligt am Tisch saß, zu sagen hatten wir uns noch nie etwas gehabt, kam ein ältere Frau älteren Formates durch die Tür geschlüpft, störte also unsere traute Zweisamkeit und begann dieses Gespräch, voller Interlekt, Witz und einer grossen Portion Sinnlosigkeit:
Ich zitiere wörtlich, aus irgendeinem unbestimmten Grund hat es sich geradezu in meinen Kopf gedrängt und ist dort hängengeblieben. Machen sie also nicht mich für den Mangel an Inhalt etc. verantwortlich.
-Oh, wir haben den gleichen Toaster (!) wie ihr, ... (Denkpause) ... nur in blau.
-Das ist ja lustig! (Sie hat das wirklich gesagt, nicht Anfängersprachkurs für Aussiedler, vermutlich würde kein Aussiedler irgendetwas lustiges daran finden, Realität, irgendwo in Deutschland)
-Bei uns geht ja keine Schnitte ungetoastet in den Mund...
Dann erst mal kurzes Nachdenken. Oder sowas.
- Der braucht ganz schön lange zum bräunen, unser alter Siemens konnte das schneller.
Schluss, Klappe, ich gehe. Das war genug, so konnte es nicht weitergehen, ich hielt es nicht mal mehr in der Küche aus, die bis dahin mein Zufluchtsort vor dem scheinbar nicht mehr zu übertreffenden Stumpfsinn der Wohnzimmergespräche gewesen war. Ich machte mich schleunigst auf den Weg zur Toilette, da mein Magen mich vehement darauf hinwies, dass dieses, nach dem unbedachten verspeisens irgendeines Bestandteils des weitgefächerten Nahrungsangebots, mein Ziel zu sein hatte. Ich tat folglich mit ihm, was im Voraus auch mit dem ebenen erwähnten Gespräch passiert war. Ich entleerte ihn bis auf die letzte Windung. Bei mir kamen unappetitliche Essensreste vermengt mit noch immer wahrnembaren Alkoholresten, womit auch eine logische, wenn auch nicht besonders ehrenhafte Erklärung gewissermaßen "mitgeliefert" wurde, im Falle des Gespräches hatte es sich um den irgendwann mal potentiell vorhandengewesenden Sinn gehandelt. Wo der wohl geblieben war?
Weit weit weg, mit grosser Sicherheit.
Die Frage ob sie zu jung für die Ehe waren hatte ich mir schon oft gestellt, sie allerdings nie befriedigend beantwortet, da ich erstens, mir nicht vollends das Urteilsrecht was diese Frage betraf zusprechen konnte bzw. wollte, und zweitens, ich keine grosse Erfahrung mit langjährigen Beziehungen hatte und bis heute nicht habe. Langjährig ist eigentlich nicht richtig, ich hätte besser mehrwöchig benutzen sollen, aber egal, es geht ja nicht um mich sondern um die beiden.
Abgesehen von diesen beiden Einschränkungen hatte ich allerdings böse das Gefühl, dass sie zu jung waren.
Ihm war dieser Gedanke natürlich auch schon gekommen. Jeder der mit 21 heiratet kommt wohl früher oder später auf diese Frage und so hatte also auch er darüber nachgesonnen, ob das Drängen der, ebenso wie er, (warum bloß?) tiefreligiösen Mutter, seine ohne Zweifel vorhandenen Gefühle für sie, die Aussicht ein geregeltes Leben ohne den stressigen "von Wochenende zu Wochenende, von Frau zu Frau-Teenager-Rhythmus" bei dem man meist doch alleine nach Hause ging und einem doch wieder nur die Onanie als 30 Sekunden Flucht diente, ob das nun reichte um mit den vielzitierten Pauken und Trompeten in den Hafen der Ehe einzulaufen? Obwohl er manchmal ahnte, dass er es bereuen könnte, das er dieses Leben und das Gefühl jung zu sein, vermissen könnte, hatte er sich letztendlich dafür entschieden.
Warum, das konnte er mir nie schlüssig erklären, musste er aber auch nicht, denn er versicherte mir glaubhaft das es sich nach einem halben Jahr noch immer gut anfühlte. Dann sagte er noch etwas wie: "Ein halbes Jahr ist noch nicht viel, aber es ist ein guter Anfang, oder?" Ich wusste nicht wirklich was ich auf dieses nur bedingt selbstbewusste `oder` antworten sollte, sagte aber natürlich "ja", und "natürlich", und "Ihr schafft das schon..."! Schließlich war er jemand der mir noch immer sehr am Herzen lag. Davon gibt es nicht so viele, deshalb sagte ich nicht was ich dachte. Eigentlich schwachsinnig, weil er mir sehr am Herzen liegt, sage ich ihm nicht was ich denke? Na ja ...
Das war sie auf jeden Fall, die Hochzeit meines Freundes. Ich konnte nicht gut schlafen in der darauffolgenden Nacht. Ist ja klar, wenn man erst mal anfängt sich zu fragen, warum man eigentlich selber nicht in einer festen Beziehung lebt, da können schon mal ein paar schlaflose Stunden folgen. Da hat man dann mal Zeit über sich nachzudenken. Und findet das auch anfangs mal ganz gut, „mit sich ins Reine“ kommen und ähnliche Stichworte fallen mir dann ein. Bis man dann irgendwann merkt das man gar nicht mehr aufhören kann mit dem „ins Reine kommen“. "Ich mach jetzt die Augen zu und denk an was Schönes!" Klingt gut, funktioniert aber nicht. Und so kommt es, dass man, entlang einer mal langwierigen, mal überraschend direkten Assoziationskette, bei ganz, ganz düsteren, nachtbedingt dramatisierten Gedanken landet. Und dann kann man das mit dem schlafen erst mal getrost vergessen.
Manchmal meint es das Leben eben nicht so gut. Oder wie ich mal in nicht gänzlich nüchternem Zustand holprig reimte: "Das Leben stinkt gewaltig bis sehr, es fällt mir manchmal wirklich schwer."
Schlicht aber treffend.